Woher kommt unsere Angst vor dem Tod?
Ängste begleiten uns ein Leben lang und auch wenn sie nicht zu unseren beliebtesten Gefühlen gehören, sie erfüllen eine sehr wichtige Funktion. Ob wir uns vor Unbekanntem fürchten, davor verletzt zu werden oder zu versagen, immer warnt uns unsere Angst wie ein Signallämpchen vor einer möglichen Gefahr. Sie versetzt unseren Körper durch die Ausschüttung von Hormonen in Alarmbereitschaft, sodass wir ohne viel nachzudenken reagieren. Dieses Reaktionssystem, das uns hilft, in schwierigen Situationen zu flüchten, anzugreifen oder uns zu verstecken, verdanken wir der Evolution.
Damals, in der Frühzeit unserer menschlichen Geschichte war es notwendig, auf Gefahren blitzschnell reagieren zu können, um zu überleben. Damit wir als Menschen nicht aussterben hat es die Natur offensichtlich so eingerichtet, dass unser stärkster (An)Trieb dem Leben dient und letztlich dem Überleben aller Menschen. So könnten wir die Angst vor dem Tod auch als, einen genialen Schachzug der Natur betrachten, der uns dabei hilft alles zu tun, um möglichst lange zu leben.
Was macht uns so viel Angst?
Genauso wie der Tode hat wohl auch die Angst vor dem Tod viele verschiedene Gesichter. Es kann sein, dass wir uns nicht so sehr vor dem Tod an sich fürchten, sondern eher davor wie wir sterben. Also vor schlimmer Krankheit und lähmenden Schmerzen, Hilflosigkeit und dem manchmal damit verbundenen Verlust unserer Würde. Oder wir haben Angst vor dem Unbekannten, es macht uns Angst nicht zu wissen was passiert, wenn wir sterben. Schlimmer noch, was passiert nach dem wir gestorben sind?
Eine Frage, auf die es keine verlässliche Antwort gibt, es sei denn, wir finden sie in der Religion oder dem Glauben. Eine der größten Ängste, in Verbindung mit Tod und Sterben ist sicher die Angst davor die Kontrolle über das Leben zu verlieren. Keinen Einfluss mehr nehmen zu können. Ohnmächtig ausgeliefert zu sein und letztlich alles loszulassen was uns im Leben wichtig war, ist glaube ich eine Herausforderung, die uns wirklich das Fürchten lehren kann.
Wenn die Angst zum rosa Elefanten wird
„Bitte denken Sie jetzt auf keinen Fall an einen rosa Elefanten“. Und schon ist er da und wächst. Eine Metapher, die ich in meiner Praxis oft verwende um das Phänomen zu erklären, wie es passieren kann, dass ein kleines Unbehagen, zu einer panischen Angst werden kann.
Zuerst ist da vielleicht ein Gedanke, z.B. wenn ich sterbe, was wird dann aus …? Wir beginnen uns Sorgen zu machen und malen uns aus, was alles passieren kann. So macht sich die Angst langsam in unserem Körper breit und sät Zweifel in uns. Das bewirkt, dass wir nicht aufhören können uns immer wieder mit diesen Gedanken zu beschäftigen. Je mehr wir versuchen den Gedanken und unsere Angstreaktion zu verdrängen, desto mehr kommt er in unser Bewusstsein zurück und erschafft immer neue angstvolle Gedanken und Körperreaktionen. Von hier bis zu einer starken Panikreaktion ist der Weg dann oft nicht mehr weit. Um dieser Angstspirale zu entgehen ist es zunächst einmal wichtig, den Gedanken nicht zu verdrängen. Oft hilft es, die Angst auf Realität zu überprüfen, z.B. „im Moment geht es mir gut, ich sterbe nicht“ oder „es ist nur ein Gedanke, keine Realität“. Die beste Möglichkeit Angstgedanken zu begegnen haben wir, wenn wir drüber reden, vielleicht mit einem guten Freund oder auch in einem psychotherapeutischen Gespräch. Damit die Angst nicht die Kontrolle über das Leben übernimmt.
Was passiert, wenn wir sterben?
Genauso individuell wie wir gelebt haben, so unterschiedlich werden wir sterben, jeder auf seine Art. Auch wenn es unmöglich ist vorher zu sagen, was wir am Ende unseres Lebens denken oder fühlen werden, gibt es doch aus biologischer Sicht einen Einblick in das, was in unserem Körper passiert, wenn wir sterben. Am Ende des Lebens richtet sich die Aufmerksamkeit immer mehr nach Innen. Die Wahrnehmung der Umwelt reduziert sich. Hunger und Durst nehmen immer weiter ab, bis sie ganz versiegen. Der Blutdruck sinkt und die Körperwärme nimmt langsam ab. Die Hautfarbe wird blass, der Puls wird schwächer und das Atmen fällt schwer, bis es irgendwann ganz aufhört Die Flüssigkeitsreduktion und die immer weiter zurückgehende Sauerstoffversorgung im Gehirn, lassen das Bewusstsein immer weiter eintrüben. Im Gehirn werden körpereigene Endorphine (Glückshormone) ausgeschüttet die schmerzlindernd und stimmungsaufhellend wirken. In den letzten Stunden des Lebens wechseln sich oft verschiedene Bewusstseinszustände ab. Wache Momente gehen in Dämmerzustände über und manchmal bekommt man den Eindruck, als würden die Augen etwas sehen, das alle anderen nicht sehen können. Aus vielen Berichten über Nahtoderfahrungen wissen wir, dass es sehr unterschiedliche Wahrnehmungen gibt, die aber alle darin übereinstimmen, dass die Menschen die sie erlebt haben keine Angst mehr verspürten.
Was wir vom Tod über das Leben lernen können
Für jeden von uns kommt der Moment, an dem wir dem Tod in irgendeiner Form das erste Mal begegnen. Vielleicht schon früh, wenn wir als Kind erleben, wie unser geliebtes Haustier stirbt an dem wir sehr gehangen haben. Wenn unsere lieben Großeltern von uns gehen oder später ein anderer lieber Mensch der uns nahe steht. In diesen Momenten kommt er uns ganz nah. Vielleicht sind wir traurig, fühlen uns hilflos oder wütend und weigern uns unseren Verlust zu akzeptieren. Doch gerade diese Momente können uns zeigen, wie zerbrechlich das Leben ist. Ohne diesen Weckruf neigen wir dazu, es für selbstverständlich zu halten. In dem Glauben, es würde ewig so weiter gehen, verlieren wir uns dann leicht auf der endlosen Jagd nach Bedürfnisbefriedigung. Einschneidende Erlebnisse, wie der Tod eines lieben Menschen, oder eine überstandene schwere Krankheit können uns helfen, die Prioritäten in unserem Leben völlig neu zu bewerten.
Das mag auch der Grund dafür sein, dass laut Umfrage mit zunehmendem Alter und Lebenserfahrung die Angst vor dem Tod sinkt. Mit anderen Worten, wenn wir den Tod öfter im Blickfeld haben, klammern wir uns vielleicht nicht mehr so am Leben fest. Wir nehmen uns selbst und unsere Vorstellungen vom Leben nicht mehr ganz so wichtig. Wenn wir erkennen, dass wir letztlich alle im selben Boot sitzen, kann uns das dabei helfen ein bisschen freundlicher und achtsamer miteinander umzugehen.
Und noch etwas können wir lernen, wenn wir den Tod als unumstößliches Ende des irdischen Lebens betrachten. Es macht keinen Sinn auf SPÄTER zu warten.
Was können wir aktiv gegen unsere Angst tun?
Wie die kleine Anekdote zeigt, ist ein wichtiger Schritt gegen die Angst vor dem Tod, die intensive Auseinandersetzung mit dem Eigenen Leben. Vielleicht wird uns dann klar, dass hinter unserer Angst auch die Enttäuschung steck, dass wir uns manchen Herausforderungen nicht gestellt haben. Das wir Träume nicht gelebt haben und uns Wünsche nicht erfüllt haben. Wenn wir dann schon mal dabei sind, könnten wir eine Liste erstellen, auf der sich alle unsere Wünsche Träume und Ziele wiederfinden. Wir könnten sie sortieren nach wichtig und dringend oder nach bereits erledigt und noch umzusetzen.
Wenn wir Lust haben, könnten wir auch unsere Freunde und Familie bitten uns bei der Umsetzung behilflich zu sein. Vielleicht stellen wir mit der Zeit fest, wie viel bunter und lebendiger unser Leben wird. Wenn wir aktiv sind und mutig immer wieder unsere Komfortzone verlassen, wird der Raum den wir der Angst vor dem Tod in unserem Leben einräumen zunehmend kleiner. Wir alle wissen weder wie noch wann wir sterben. Auch die Frage nach einem Leben nach dem Tod können wir nicht mit Sicherheit beantworten.
Eines weiß ich aber ganz bestimmt, es gibt ein Leben vor dem Tod und das ist es wert gelebt zu werden.